“Zwei sind mehr als doppelt so viel.” Das war das erste was mein Chef mir sagte, als ich ihm von meiner Schwangerschaft verkündete. Heute weiss ich was er damit gemeint hat. Es geht eben nicht nur um die doppelte Anzahl an Windeln, Klamotten oder Krankheitstagen, sondern viel mehr um Dinge die auf den ersten Blick gar nicht ersichtlich, aber unheimlich zeit-und energieraubend sind. So wie Eifersucht und Machtkämpfe. Und das ist vermutlich erst der Anfang. Und da es mich so sehr beschäftigt, schreibe ich nun heute, nach Familie Pinguin und dem weg-gewünschten kleinen Bruder, schon wieder einen Geschwisterblog. Tja, das Thema lässt sich leider nicht so leicht aus dem Kalendar streichen wie die Zahlen. Und so ist es für mich mit jedem Tag aufs Neue ein solches Paradox-phänomen, wie Liebe und Hass so nah beieinander liegen können. Ich meine, klar, dass das grundsätzlich so ist haben wir sicher schon alle auf die ein oder andere Art erfahren müssen – aber in der Regel ist dieser Gefühlswandel bei uns Erwachsenen ein klein wenig beständiger und ändert sich vielleicht phasenweise, nicht aber im Sekundentakt.
Kurze Zusammenfassung was bisher geschah: Troublemaker Bobi kam im Mai 2013 zur Welt und schwups, die Uhr schnell mal 3 Jahre und 4 Monate weitergestellt, lag aufeinmal Mini-Monster Bodo bei Mama auf dem Bauch. Wie das große Geschenk was das Mini-Monster mitgebracht hat auch noch in den Mamabauch passen konnte, ist zwar weiterhin ungeklärt, aber man hat es freudig so hingenommen, so wie zunächst auch die neue Gesamtsituation. Dann wurde aus Troublemaker Jekyll quasi über Nacht ein Troublemaker Hyde – so zumindest zunächst Mama’s Wahrnehmung. Schimpfwörter, Autos und Füße flogen nur so durch die Gegend. Dazu standen noch Haare ziehen und Augen pieksen auf dem Programm. Bei jedem Mal stillen, wurde entweder so lange um das Baby herumgesprungen, bis es jedes Mal völlig verschreckt hoch guckte und sich dabei grundsätzlich verschluckte oder in lautes Geschrei ausbrach. Daraufhin wurde man meistens des Zimmers verwiesen und hat abwechselnd den kompletten Gewürzschrank auf Herd und Küchenboden verteilt, über einen Zeitraum von ca. 2 Wochen jeden Tag – mehrfach – seinen gesamten Kleiderschrank ausgeräumt, so das kein (Kinderzimmer)Fleck mehr unbedeckt war oder jedes sich im Haus befindene Möbelstück mit Kugelschreiber angekritzelt – auf den weißen Lederstühlen kommen diese Kunstwerke noch immer am besten zur Geltung. Schandtaten wurden also in jedem Zimmer begangen, es hing eben immer davon ab, in welchem Zimmer Mama und Baby waren bzw. gerade nicht waren. Dahin war sie die häusliche Harmonie und Hoffnung auf eine innige Geschwisterliebe. Falsch. Denn an letzterem besteht kein Zweifel – wenn auch der große Bruder manchmal eine durchaus gewöhnungsbedürftige Art hat diese zu zeigen.
“Das ist mein Bruder, den kriegst du nicht.”
Im 4. Monat der Geschwisterliebe angekommen, lautet so nachwievor die tägliche Begrüßung der anderen Kinder bei der Tagesmutter. Die Besitzansprüche werden hier gleich mal ganz klar abgesteckt. Die Grenzen ebenso. Keines der Kinder darf zu nahe kommen. Wer überhaupt gucken darf ohne einen evil look, so wie ihn sonst nur der Papa drauf hat, zu kassieren, darf sich glücklich schätzen. Über anfassen brauchen wir nicht zu sprechen. Fast schon verständlich, dass die anderen Muttis denken, ich übertreibe, wenn ich mich über die Eifersuchtsausbrüche vom Troublemaker beklage. Wo er sich doch nach aussen hin so offensichtlich als Beschützer und fürsorglicher großer Bruder sieht und präsentiert. Ja, nach aussen hin.
Hinter unseren verschlossenen vier Wänden sieht das Ganze dann ein wenig anders aus. Als erstes wird dann der Arztkoffer aus dem Schrank geholt und die Spritze in den Mini-Monster Popo gerammt. Anschließend das Fieberthermometer. An guten Tagen gibt’s danach ein Pflaster. Zunehmend rückt nun auch die Mama in den Fokus – und das Mamaherz dient als Zielscheibe. Und da hilft dann auch kein Pflaster.
“Du bist böse. Du bist nicht meine Mama.”
Das ist im Moment das Lieblingszitat und wird bei keiner Unstimmigkeit ausgelassen. So ist sie die kindliche Ehrlichkeit. Manchmal witzig und manchmal ganz schön grausam. Aber so ist es eben. Dennoch verfehlen diese Worte natürlich kein einziges Mal die gewollte Wirkung. Aber auch ich habe inzwischen meine Taktik geändert und werde nicht in jeder Situation lauter oder suche sofort nach Bestrafungen. Stattdessen sage ich ihm ehrlich, dass es mich ganz fuchtbar traurig macht, wenn er so etwas sagt. Ich denke seine Ehrlichkeit verdient auch die meine. Auch wenn er es natürlich nicht wörtlich meint, sondern lediglich seine Gefühle versucht auf diesem Wege auszudrücken. Was erwarte ich auch anderes von einem 3 1/2 jährigen? Dass wir eine Konversation miteinander führen, in der jeder dem andere sagt, welche Dinge ihn stören? Dazu sind ja sogar die wenigsten Erwachsenen in der Lage. Dennoch ist es immer wieder verblüffend wieviel ein Kinderhirn schon verstehen, erinnern und verarbeiten kann. Und selbst wenn meine Worte natürlich in den wenigsten Fällen unmittelbar das gewünschte Verhalten herbeiführen, so entspannt sich doch daraufhin meist die Situation, zumindest für den Moment, und es wird kurz aber herzlich gekuschelt – und so ist dann auch die Wunde im Mamaherz ganz schnell wieder verheilt.
Und das Mini-Monster? Trotz allem was er täglich über sich ergehen lassen muss, himmelt er seinen Bruder förmlich an – also so wie ein 4 Monate altes Baby das eben kann. Sobald der Toublemaker sich ihm nähert und in seinem Kopf wahrscheinlich schon das nächste Attentat plant, reisst das Mini-Monster strahlend die gr0ßen Augen auf und zieht parallel dazu die Mundwinkel hoch. Darüber hinaus besteht sein aktueller Tagesablauf darin, laut krächzend verschiedene Tonlagen seiner Stimme auszutesten, meine Brust wund zu nuckeln und ein breites Farben- und Konsistenzspektrum an Windelinhalten abzudecken. Einschneidendere Meilensteile gibt es an der Front noch nicht zu berichten, aber ich bin mir sicher, dass wird sich viel zu schnell ändern und anders vor 3 Jahren, habe ich es damit alles andere als eilig.