Arbeiten im Home-Office ist für viele das absolute non-plus-ultra – und dennoch ist es noch immer ein viel zu selten gewährtes Privileg für Arbeitnehmer, zumindest in Deutschland. In unseren europäischen Nachbarländern ist es längst Gang und Gebe, von zuhause zu arbeiten und nicht nur Arbeitszeiten sondern auch Arbeitsort viel flexibler gestalten zu können. Für Arbeitsnehmer rücken diese Aspekte bei der Suche nach einem geeigneten Arbeitgeber immer mehr in den Vordergrund und unsere Nachfolgegeneration – die Millenials – scheinen von 9-5 Bürojobs mal gar nichts zu halten. Gut so, denn damit rückt die Home Office Debatte endlich mal wirklich nach oben auf der Unternehmensprioritätenliste; ist es wohl zum Teil sogar leichter Mütter einfach rauszumobben statt ihnen mit einem flexiblen Arbeitsmodell entgegen zu kommen.
Für mich absolut unverständlich, denn das Home Office erscheint mir – unter meiner rosaroten Brille – als eine absolute Win-Win Situation. Im heutigen Zeitalter sind der Kommunikation kaum noch Grenzen gesetzt – ob der Kollege in Japan sitzt oder im 10km entfernten Home-Office ist dabei total egal. Für das Unternehmen bietet sich durch die Minimierung von physischen Arbeitsplätzen das Potential die Fixkosten erntshaft und nachhaltig zu reduzieren und in andere Dinge zu re-investieren. Der Mitarbeiter ist dankbar, dass ihm Vertrauen und Autonomie entgegen gebracht wird, arbeitet demzufolge mit höchster Motivation und mehr als er es sonst tun würde – unser Gewissen lässt es nicht zu, dass wir Zeit die wir mit procrastinating verbringen, als Arbeitszeit dokumentieren – im Büro hingegen erfolgt jeder Gang zur Kaffeemaschine oder jede Raucherpause innerhalb der eigentlichen Arbeitszeit – so ist unsere Gesellschaft fälschlicherweise nachwievor so getrimmt, sich darüber zu definieren, wie lange wir abends im Büro sind, nicht aber darüber was wir eigentlich Produktives an diesem Tag geleistet haben.
Ich hingegen habe bereits ein schlechtes Gewissen, wenn ich während meiner Home-Office Arbeitszeit die Waschmaschine anschmeisse.
Darüber hinaus kann durch Home Office auch das übliche 20-Stunden-Mutti-Teilzeitgrauen vieler Unternehmen überwunden werden, denn wer flexibel schalten und walten kann, ist vermutlich sogar auch in der Lage mehr Stunden zu arbeiten, nicht zuletzt bedingt durch wegfallende Anfahrtswege. Der Mitarbeiter kann weiterhin neben seiner Familie auch seine beruflichen Ambitionen verfolgen – denn wir wissen ja alle, wie viele Karrieren aus Teilzeitbeschäftigungen entstanden sind – und sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sollten rundum happy sein.
Nach nun mehr 3 Monaten im ausschließlichen Home Office ziehe ich nun ein Zwischenfazit – aus Arbeitnehmer und Arbeitgebersicht – und habe meine rosa-rote Brille ein wenig zurecht gerückt:
1. Home Office – mit Kindern zuhause – kann zu einer echten Herausforderung werden.
Das hat wohl auch John Kelly am eigenen Leib erfahren müssen, als seine zwei Kids während eines Live Interviews ins Zimmer platzten. Die Welt nahm es – Gott sei Dank – mit Humor, aber fraglich wäre, ob wenn sich ein solcher Vorfall wiederholen würde, der Humor oder nicht doch eher Unverständnis überhand nehmen würde. Ich selbst kenne diese Situation nur zu gut: schon als der Troublemaker krank zuhause bleiben musste und ich dann eben von zuhause aus an der Telefonkonferenz teilgenommen habe, musste ich ständig durch die Wohnung tigern, auf der Suhe nach einem ruhigen Ort, an dem ich für 5 Sekunden meinen Senf dazu geben könnte um dann umgehend wieder den Mute Kopf zu drücken, so dass keiner in der Leitung den Hintergrundlärm vernehmen konnte – irgendwie gings immer, aber ideal ist natürlich ein ungestörtes Umfeld im dem man sich zu 100% dem Gespräch widmen kann.
2. Nichts ersetzt eine Face-to-Face Kommunikation.
So weit sind wir spätestens seit “A conference call in real life“. Und es ist einfach so. Aktuell arbeite ich mit einer meiner Lieblingskolleginnen an einem Projekt und ursprünglich hatten wir ein telefonisches Brainstorming anvisiert, da ich ja nun mal nachwievor das Mini-Monster zuhause habe. Kurzer Hand habe ich mich dann entschlossen ihn mit ins Büro zu nehmen, da das komplette Bürogebäude diese Woche zur Messe ausgewandert ist und ein Baby im Büro so auch niemanden stören würde – im geschlossenen Konferenzraum saßen wir somit fast 4 Stunden zusammen, und auch beim Stillen ließ es sich problemlos brainstormen. Ich bin sicher, dass wir wesentlich mehr in dem persönlichen Austausch geschafft haben, als wären wir das ganze telefonisch durchgegangen. Im Sinne der Effizienz steht ein persönlicher Austausch also wenn irgendwie möglich immer noch an erster Stelle.
3. “Aus den Augen aus dem Sinn”.
Solange nur du mit Home Office privilegiert bist und demzufolge als einzige keine physische Präsenz zeigst, bist und bleibst du einfach außen vor – ganz egal ob du auf den gleichen Email Verteilern bist wie deine Kollegen. Denn diese sind ständig vor den Augen seines Chefs und natürlich ganz anders greifbar und übernehmen so schnell die Rolle des Vertrauten, Verbündeten oder Sparringspartners. Wer nicht am Geschehen der Mittagspausen und Flurfunk teilnimmt, ist in seinen Karrieremöglichkeiten benachteiligt, auch wenn 40 Stunden auf dem wöchentlichen Arbeitskonto stehen. “Aus den Augen aus dem Sinn”, zieht sich durch sämtliche Lebensbereiche, die durch persönliches Miteinander und menschliche Beziehungen geprägt sind, so eben auch durch das Verhältnis mit dem Vorgesetzten am Arbeitsplatz.
Ich persönlich bin nachwievor ein großer Befürworter des Home Office und genieße die damit verbundene Autonomie und umso mehr die zusätzliche Zeit die mir dadurch mit meiner Familie zu gute kommt. Dass dies der Schlüssel zur wahren Vereinbarkeit ist, bleibt aber wohl leider nichts mehr als eine Wunschvorstellung – oder wie siehst du das?
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