“Mama, der hat mich gehauen”.
Es gab eine sehr kurze Phase, die mittlerweile schon eine gefühlte Ewigkeit zurückliegt in der ich diese Worte nicht aus dem Mund meines eigenen Kindes gehört habe. Stattdessen war es das Kind was gerade noch mit dem Troublemaker spielte und nun weinend bei seiner Mutter in den Armen lag und dabei mit den Fingern auf ihn zeigte. “Man darf andere Kinder nicht hauen, bitte entschuldige dich”, sind da meist die typischen und oft ein wenig hilflosen Reaktionen einer Mutter auf das als falsch und verwerflich beurteilte Handeln des Kindes.
Wenn die Worte hingegen aus dem Mund des eigenes Kindes kommen, ist man als Mutter schnell dazu geneigt, das “böse” Kind ins Visier zu nehmen und direkt zur Rechenschaft zu ziehen, insbesondere wenn die eigene Mutter dies nicht für nötig hält.
Es sind Momente wie diese, in denen ich darüber nachdenke, wie es wohl wird, wenn der Troublemaker dieses Jahr sein behütetes und ihm sehr vertrautes Umfeld bei der Tagesmutter verlässt und dann in den Kindergarten und in absehbarer Zeit auch in die Schule kommen wird.
Möchte ich lieber die Mutter sein, dessen Kind die anderen Kinder verprügelt und provoziert oder wäre es mir lieber, wenn mein Kind jenes ist, was sich sang-, klang- und wehrlos verhauen und niedermachen lässt? Im Umkehrschluss bedeutet das soviel wie “wäre ich lieber die Mutter des prügelnden Arschlochkinds oder ist mir da doch das ständig heulende Weichei lieber?”
Wenn ich die Frage jetzt Papa Habibi oder wahrscheinlich auch sonst jedem Vater stellen würde, kann ich mir schon vorstellen, wie die Antwort lautet. Wenn ich sie aber mit selbst stelle, steht ganz klar fest, dass ich weder das eine noch das andere bevorzuge und überhaupt, was ist das eigentlich für eine absurde Frage?
Stattdessen wünsche ich mir, dass sich mein Kind, wenn es drauf ankommt zu wehren weiß und ansonsten durch gute Manieren und ausgeprägte Sozialkompetenzen auf sich aufmerksam macht. Und beliebt soll er natürlich sein. Und sportlich wär mir wichtig. So richtig athletisch halt. Und attraktiv. Denn schöne Menschen haben es schließlich leichter im Leben. Und intelligent. Je früher ich anfange mit ihm zählen, rechnen, lesen und schreiben zu lernen umso besser. Und wenn ich alles richtig mache, sollte doch eigentlich nichts schief gehen und seinem Werdegang als Streitschlichter, Klassensprecher, Abiturient mit Bestnote und Uniabsolvent mit magna cum laude steht nichts mehr im Weg. Und dann steht ihm die Welt offen…
Ähh…stop mal eben im Text – Habe ich gerade gesagt: “wenn ICH alles richtig mache, steht SEINEM Werdegang nichts mehr im Weg?” Das hätte meine Mutter sich mal trauen sollen, mir gegenüber laut auszusprechen.
Fakt ist, “wir müssen Kinder auf den Weg des Lebens vorbereiten und nicht den Weg für die Kinder.” (Christopher End)
Im Klartext heißt das, dass ich als Mutter natürlich eine gewisse Verantwortung für die Entwicklung meines Kindes trage, denn es obliegt mir, dem Troublemaker grundlegende Werte und Moralvorstellungen zu vermitteln, aber nichts destotrotz ist es SEIN Leben, das durch SEINE Entscheidungen geprägt und weder durch mich noch sonst irgendwen (fremd)bestimmt werden sollte.
Als Eltern wollen wir alle nur das Beste für unser Kind. Wir wollen es vor Konflikten und Niederlagen im Leben bewahren. Der Mensch aber reift durch eben diese Konfrontationen und Situationen und das Kind muss eigenständig lernen mit diesen Herausforderungen umzugehen.
Wahrscheinlich ist es gerade deshalb so wichtig, davon abzusehen, das kleine Scheusal was gerade das eigene Kind zum Weinen gebracht hat zu rügen und stattdessen seinem Kind das nötige Selbstvertrauen zu verschaffen um die Situation selbst zu klären.
“Wenn er dich nochmal haut, dann haust du einfach zurück.”
Diese Worte lagen mir im Affekt schon häufig mal auf der Zunge. So gab es auch heute wieder eine solche Situation die mich nicht zuletzt zu diesem Beitrag inspiriert hat, dazu aber gleich.
Was wir als Eltern oft vergessen oder meist gar nicht wissen, zumindest wenn wir nicht schon mehrere Kinder haben und/oder uns ausgiebig mit Erziehungsratgebern beschäftigen:
Bei Kleinkindern ist Hauen oder sich die Sandschaufel an den Kopf werfen oft eine Form der Kontaktaufnahme.
Kleinkinder können sich meist sprachlich noch gar nicht äußern, was bleibt ihnen also anderes übrig, als dem anderen durch Taten statt Worte zu signalisieren “Hey, ich will mit dir spielen.” Klingt natürlich für uns Erwachsenen erstmal merkwürdig, es ist aber so und natürlich soll man nicht dabei zugucken, wie das eigene Kind Fuhren voll Sand ins Gesicht geschmissen kriegt, aber zumindest hilft das vielleicht die Wut für das “böse” Kind zu reduzieren, weil es eigentlich gar nicht “böse” ist. Und man muss sich nicht mit unnötigen Vorwürfen plagen, was man falsch gemacht hat, wenn es gerade das eigene Kind ist, das im Sandkasten für Unfrieden sorgt, denn es sucht lediglich einen Spielkumpanen.
Ab fortgeschrittenem Kleinkindalter und spätestens dann wenn sich das Kind sprachlich weitestgehend artikulieren kann, sollte man natürlich klar aufzeigen, dass Hauen, Schubsen und co. nicht in Ordnung sind, auch nicht als Ventil für Frust und Ärger.
Dabei geht es natürlich darum den Kindern dies in den konkreten Situationen zu sagen, viel mehr geht es aber darum, den Kindern das richtige Verhalten in gewissen (Konflikt)Situationen vorzuleben.
Kinder lernen vor allem durch das was Eltern tun, weniger durch das was sie sagen (Jesper Juul).
Ich merke, dass der Troublemaker zunehmend das Verhalten seiner Bezugspersonen imitiert – manchmal zu meinem eigenen Schock, denn man selbst macht so viele Dinge unterbewusst (falsch), was mir erst jetzt durch ihn reflektiert wird. Gerade würde ich mir am liebsten jeden Morgen eine extra Portion Geduld und Gelassenheit injizieren, um ihn ein stetig ausgeglichenes und solides Umfeld zu garantieren und bei vollem Bewusstsein durch den Tag zu gehen um ihm von allem nur das Beste zu lehren.
Das ist auf Dauer gar nicht so einfach und wahrscheinlich auch utopisch – ich dachte ich würde schon viel Unheil abwenden, wenn ich beispielsweise meine Zunge beim Autofahren versuche zu zügeln. Nie aber hätte ich daran gedacht, was es mit sich zieht, wenn ich zum Beispiel dem kleinen Mini-Monster in seinen kleinen Speckschenkelchen kneife. Denn was der Troublemaker sieht macht er und dann endet es mit einem schreienden Baby, einer schimpfenden Mama und einem heulenden Kleinkind – welches zu guter letzt nicht mal weiß was er falsch gemacht hat, schließlich “darf” die Mama ja auch kneifen.
Was auch immer sein heutiges Verhalten bedingt hat, ich weiß es nicht, aber mein Mutterherz ist vor Stolz fast geplatzt.
Wir waren im Indoor Spielplatz und es war immer wieder der gleiche Unruhestifter der den Troublemaker von der Hüpfburg schubsen wollte. Der Blick kam immer wieder hilfesuchend in meine Richtung und die Mundwinkel verformten sich schon um gleich lauthals loszuschluchzen und schließlich kam er zu mir gelaufen – die Tränen noch unterdrückt. Er war also vor der Situation entflohen und lief dann zwischenzeitlich zu den Trampolinen. Kurze Zeit später lief er zurück zu der Hüpfburg und der kleine Rüpel war noch immer dort und warf sich weiterhin mit voller Wucht gegen jedes Kind, das ihm zu nahe kam.
Und auf einmal drehte sich Bobi zu ihm und gab ihm ein so geballtes (verbales!) Kontra, dass dem Jungen sichtlich die Freude daran die anderen Kinder zu ärgern verging und er binnen Sekunden verschwand – und Bobi wurde als “Robin Hood” der Hüpfburg zelebriert (zumindest in meiner Wahrnehmung).
Mission accomplished: Konflikt (gewaltfrei) gelöst und zur Freude der Mutter besteht also doch noch Hoffnung auf die Karriere als Streitschlichter 😉
Und wie ist es bei euch, sicherlich habt ihr schon ähnliche Erfahrungen gemacht. Wie geht ihr damit um, wenn euer Kind haut oder gehauen wird?
Wahrscheinlich war es mein Kind, das deins auf dem Indoorspielplatz angerüpelt hat.😂 Gefühlt rüpelt er nämlich derzeit jedes andere Kind an, was ihm in die Quere kommt. Ich versuche mich in Gelassenheit, aber mit zunehmender Dauer dieser Hau-Beiß-Schubs-Phase werde ich bei jeder Attacke nervöser.
Was mich aber am allerALLERmeisten auf die Palme bringt, ist es, wenn andere Mütter von “Opferkindern” mein Kind anschreien oder ausschimpfen, wenn er mal wieder übers Ziel hinausgeschossen ist (kann den Wunsch verstehen, aber…).
Schade, dass es dafür kein Patentrezept gibt (ich hatte insgeheim auf eins gehofft, als ich diesen Beitrag angeklickt habe. Das war wohl ziemlich blauäugig😅). Ich versuche auch jedes Mal meinem Zwerg (22 Monate) ein verbales Ventil für Ärger ans Herz zu legen. Bis dato ohne Erfolg. Und ich hoffe ehrlich, dass mal ein Kind einfach zurückhaut. Vielleicht hilft das ja. Bis jetzt waren aber alle Kinder zu freundlich…
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Oh Mann, ja ich würde mich auch so oft wünschen, dass sie mit Gebrauchsanweisung aus dem Bauch gepurzelt kommen aber das wäre ja auch langweilig und wir Mütter wüssten gar nicht wohin mit unserer Zeit 😅 keine Sorge, früher oder später wird er schon seine Lektion lernen – bis dahin wünsche ich dir viel Kraft, Ausdauer und die nötige Gelassenheit 😊
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